Das folgende Zitat fasst die Position von Stefan Müller zusammen.
Auch die öffentliche Hand kann nur soviel ausgeben, wie sie einnimmt. Der Staat muss mit den Steuermitteln haushalten, die ihm zur Verfügung stehen. Er darf die Steuerzahler dabei nicht überfordern, denn sonst würde er Eigenverantwortlichkeit und Innovationskraft der Bürger und der Wirtschaft aufs Spiel setzen. Sparsamkeit, gezielte, nachhaltige und transparente Mittelverwendung sowie eine laufende Aufgabenkritik sicherzustellen, betrachte ich als eine meiner wichtigsten Aufgaben als Abgeordneter.
Stefan Müller (CSU), stefanmuller.com, 26.04.2021
Klingt irgendwie plausibel, oder? Hey, was ist hier los? Kann das sein? Gucken wir mal nach. Die ersten zwei Sätze sind Trivialitäten.
Man kann nur ausgeben, was man einnimmt
Stefan Müller ist Bankfachwirt. Er kennt sich also aus. Mit Geld und so. Mit Krediten. Oh, Moment. Kredite? Wenn man einen Kredit aufnimmt, dann kann man ja mehr ausgeben als man eingenommen hat. Lustigerweise ist es zur Zeit sogar so, dass es negative Zinsen gibt, das heißt, wenn man als Bundesrepublik einen Kredit aufnimmt, muss man nicht alles zurückzahlen. Wenn man nun damit Betriebe (Wasser‑, Energieversorgung) rekommunalisieren würde oder riesige Wohnungsbestände zurückkaufen würde, die mitunter die Sozialdemokraten (in Berlin Wowereit und Sarrazin, siehe Als das Tafelsilber verkauft wurde) mal verscherbelt haben, dann hätte man hinterher was.
Davon abgesehen, kann man natürlich als Gesellschaft festlegen, wie viel man einnehmen will. Man kann Steuersätze festlegen, Einkommenssteuern, Vermögenssteuern und Erbschaftssteuern beschließen. Und man kann dann beschließen, was man damit macht. Will man lieber in den Schwimmbädern die Wassertemperatur ein Grad nach unten drehen (in Berlin geschehen) oder bei den Superreichen 1% Vermögenssteuer einführen?
Innovationskraft der Bürger und der Wirtschaft
Die Innovationskraft der Bürger und der Wirtschaft auf’s Spiel stellen? Um Himmels Willen? Was wird denn dann aus unserem Wohlstand und dem Fortschritt?
Klar ist, dass Firmen Geld für Forschung und Entwicklung brauchen, dass sie Geld reinvestieren, um neue Dinge zu entwickeln (z.B. Bauschaum, siehe Video über Fortschritt), um zu expandieren. Das will auch niemand ändern (nun ja, das mit dem unbegrenzten Wachstum ist so eine Sache). Aber wo man mal dran drehen könnte, das sind die hohen Einkommen und Privatvermögen, die eben nicht in Firmen stecken. Was will man denn mit einem Jahreseinkommen von über 200.000€ machen?
Nach Steuern (Spitzensteuersatz ist 42%, Berechnung geht mit Steuerrechner) hat man als Alleinstehender immer noch 121.000€ übrig, als Mensch mit Partner sogar 131.000€ (Hey, ist das die Förderung von Familien, über die wir in Mensch & Familie gesprochen haben?). Und dann? Wohnungen kaufen? Um dann noch mehr Geld zu verdienen? Durch die Gegend jetten und CO2 ausstoßen (Otto et al. 2019)? Kleine geile Firmen gründen?
Für kleine geile Firmen reichen auch 120.000€ noch. Und wenn man diese hat, bekommt man auch einen günstigen Kredit (siehe oben). Kreditkosten kann man übrigens von der Steuer absetzen.
Eigentum ist eine Last
Wenn man zusätzlich zum Höchststeuersatz von 42% noch 1% der 200.000€ abgibt, sind das 2000€. Das ist quasi nichts. Wenn man 10% davon abgibt, sind das 20.000€. Es ist immer noch mehr als genug übrig. Wenn man so viel Geld verdient bekommt, dann legt man das nicht auf’s Sparbuch, man legt es an. In Aktien oder Fonds. Dafür bezahlt man 25% Steuern, wenn man Gewinne mitnimmt. Auch diese Steuern könnte man locker erhöhen. Man könnte Finanztransaktionssteuern einführen, die bei jedem Kauf und Verkauf von Aktien fällig würden. Das würde Menschen mit großen Einkommen entlasten, denn Eigentum kann sehr belastend sein, wie man den folgenden Liedern von Knorkator entnehmen kann.
Sparsamkeit
Sparsamkeit kommt gut. Den Gucci-Gürtel enger schnallen. Wo sollen wir denn sparen? Bei den Sozialausgaben? Da gibt es nichts mehr zu sparen. Das hat Schröder für uns erledigt (Hartz IV, Agenda 2010). Die CDU/CSU hätte das nicht gekonnt, aber eine Rot-Grüne Regierung mit der fröhlichen Duldung der CDU/CSU/FDP konnte das durchziehen.
Im letzten Jahr haben sich die Militärausgaben enorm erhöht. Muss das sein? Eher nicht so (siehe Aufrüsten oder Abrüsten). Gut, dann sparen wir da, bis wir wieder auf einem normalen Level angekommen sind. Wenn die Soldat*innen ihr Kriegsgerät nicht mit nach hause nehmen würden (taz: Amnestie für Patronenklau), müssten wir ihnen auch nicht immer neues kaufen.
Zusammenfassung ohne Quatsch
Die Vermögensverteilung hat sich in den letzten Jahren extrem verändert. Einige Wenige besitzen große Vermögen und viele krepeln so rum. Das kann man durch Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen und Erbschaftssteuern ändern.
Nachtrag
Mit dem Song Kapitalismus von Funny van Dannen verbindet sich für mich ein intensives Erlebnis: Ich habe ihn in der S‑Bahn gehört. Vorgetragen von einem Musikanten, der um Almosen bat. Er hatte nur noch wenige Zähne, sang aber sehr gut. Es ist etwas ganz anderes, Funny van Dannen auf einem Konzert zusammen mit seinen Kumpels aus der links-grün versifften Bubble zuzuhören, als diesen mittellosen Mann singen zu hören: „Ich möchte den Kapitalismus lieben, denn er liebt mich ja auch, er hat mir so viel gegeben, er gibt mir alles, was ich brauch.“ Ich habe ihm viel gegeben. Aber ich konnte ihm nicht alles geben, was er braucht. Ich wünsche jedem CSUler eine solche Erfahrung. Aber die fahren wahrscheinlich nicht S‑Bahn.
Quellen
Ehlerding, Susanne. 2016. Neubau in Berlin: Als das Tafelsilber verkauft wurde. tagesspiegel. Berlin. (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/immobilien/neubau-in-berlin-als-das-tafelsilber-verkauft-wurde/13019974–2.html)
Hermann, Ulrike. 2021. Wahlprogramm Bündnis 90/Die Grünen: Können Grüne regieren? Können sie mit Geld umgehen? taz. Berlin. (https://taz.de/Archiv-Suche/!5763311/)
Otto, Ilona M., Kim, Kyoung Mi, Dubrovsky, Nika & Lucht, Wolfgang. 2019. Shift the focus from the super-poor to the super-rich. Nature Climate Change 2(9). 82–84. (doi:10.1038/s41558-019‑0402‑3)
Ulrich, Sahra & Sebastian Erb, 2021, Prozess gegen KSK-Soldat: Amnestie für Patronenklau