In Sie wissen nicht, was sie tun habe ich schon lang und breit über die jüngsten Korruptionsfälle in der cdU/csU geschrieben. Leider (oder zum Glück) hören die Meldungen über Korruptionsfälle und problematische Verflechtungen nicht auf.
Jens Spahn: Villa und Hartz IV
Spenden & Corona
Spahn hat sich am 20.10.2020 in Leipzig mit einem Dutzend Spendern getroffen, die insgesamt 119.988€ an die CDU bezahlt haben. Für die Teilnahme am Essen wurde eine Spende von 9.999€ erwartet. Bei 10.000€ liegt die Grenze, ab der die Namen der Spender*innen veröffentlicht werden müssen. Alles komplett legal.
Komisch aber: Corona & Party. Und Gesunheitsminister. Hm? Damals war die zweite Welle am Rollen und Spahn wurde einen Tag später positiv getestet. (taz, 05.04.2021)
Der MDR zitiert Spahn vom Tag vor seiner privaten Dinnerparty:
„Wir wissen vor allem, wo es die Hauptansteckungspunkte gibt. Nämlich beim Feiern, beim gesellig sein, zuhause, privat.“ Jens Spahn am Tag vor einer privaten Dinnerparty in Leipzig
MDR, 03.03.2021: Spahn bei Spendendinner in Leipzig
Filz & Immobilien
Jens Spahn hat eine Villa mit sieben Zimmern und 515 m2 Wohn- und Nutzfläche für 4,125 Millionen Euro gekauft. Kann man ja machen außer, na ja, die Umweltaspekte. Dazu siehe unten. Aber ansonsten ist es ja die Privatsache von Menschen, was sie mit ihrem hart verdienten Geld machen. Oder? Wie? Er hatte das Geld gar nicht und hat es sich geborgt? Aber das ist doch auch OK. Dafür gibt es ja die Banken. Sie prüfen die Kreditwürdigkeit von Personen und vergeben dann Kredite. Wenn es eine Aussicht auf Rückzahlung gibt, dann kriegt man – entsprechende Eigenbeteiligung vorausgesetzt – einen Kredit. Aber wie war das bei Spahn?
Seit 2015 hat sich Spahn – teilweise gemeinsam mit seinem Ehemann – bei der Sparkasse Westmünsterland 5,5 Millionen Euro geliehen. Zählt man den Anteil der stets an den Krediten beteiligten Provinzial-Versicherung dazu, kommt man auf eine Darlehenssumme von insgesamt 6,35 Millionen Euro. Bis Juli 2015 saß Jens Spahn selbst im Verwaltungsrat der Sparkasse Westmünsterland, einem Gremium, das die Geschäfte der Bank überwacht.
Die Zeit 05.05.2021: Jens Spahn: Der Minister und die Millionen.
Ups. Der kurze Dienstweg sozusagen. Die Zeit dröselt das noch weiter auf. Spahn hat gemeinsam mit seinem Mann mehrere Wohnungen gekauft und Kredite über den gesamten Wert bekommen. Das funktioniert super, denn die Mieter bezahlen den Kredit ab. Die Bank muss das nur auch glauben und sich sicher sein, dass der Kredit zurück gezahlt wird. Schon mal als Freischaffender einen Kredit bekommen? Ist nicht so leicht. Es hilft aber natürlich, wenn man schon ein paar Wohnungen hat. Oder eben Minister ist. Oder mit den Vorständen der Bank im selben Buddelkasten gespielt hat.
Spahn hat diese Beziehungen, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat der Bank. Sein Nachfolger dort heißt Markus Jasper, er war Spahns persönlicher Referent und ist heute Geschäftsführer der CDU im Kreis Borken. Und der stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrats der Sparkasse Westmünsterland heißt Kai Zwicker, er ist ein langjähriger Parteifreund Spahns und der Borkener Landrat.
Wer mit Mitgliedern der CDU und anderer Parteien im Westmünsterland spricht, hört immer dieselbe Geschichte: wie Spahn, Jasper und Zwicker sich seit ihrer gemeinsamen Zeit bei der Jungen Union gegenseitig unterstützen. Verbindungen, die bis heute halten.
Die Zeit 05.05.2021: Jens Spahn: Der Minister und die Millionen.
Auch die Personen, von denen Spahn die Immobilein gekauft hat, sind interessant: Einem von ihnen, dem Ex-Pharma-Manager Markus Leyck Dieken, hat Spahn eine Position verschafft und das Festgehalt für die Position in einer dem Gesundheitsministerium unterstellten Firma mal eben um 110.000€ auf 300.000€ erhöht. Klar. Gibt ja immer ein bisschen Inflationsausgleich. Die Wohnung, die Spahn für 980.000€ von ihm gekauft hatte, wurde nach nur drei Jahren für 1.585.000€ zum Kauf angeboten (tagesspiegel, 18.02.2021). Klar, der Berliner Immobilienmarkt dreht gerade frei, aber 600.000€ Wertzuwachs in drei Jahren ist schon ordentlich. Und es gibt eine Spekulationssteuer. Normalerweise verkauft man Immobilien nicht nach drei Jahren sondern frühestens nach zehn Jahren, wenn dann diese Steuer nicht mehr anfällt. Aber vielleicht war ja unser Gesundheitsminsiter etwas verplant. Allerdings ist er Bankkaufmann, er wird also wohl genau gerechnet haben.
Spahn fand es nicht so prickelnd, dass seine Immobiliengeschäfte öffentlich diskutiert werden. Prinzipiell hat er da auch Recht, denn wie gesagt, was Menschen mit ihrem hart verdienten Geld machen, gehört zur Privatsphäre. Ehm. Er wollte deshalb dem Tagesspiegel verbieten, darüber zu berichten und hat vor dem Oberlandesgericht Hamburg geklagt. Das Gericht hat entschieden, dass Berichterstattung OK ist, aber dass der genau Preis niemanden zu interessieren habe. Das Gericht hat auch festgestellt, dass die Villa sehr teuer ist und dass hochrangige Politiker*innen den Wähler*innen Rechenschaft schuldig sind (Spahn war damals noch als Kanzlerkandidat im Gespräch), insbesondere, wenn klar ist, dass eine solche Villa vom Ministereinkommen, was ja auch auf die jeweilige Wahlperiode beschränkt ist, nicht finanzierbar ist. Auch Aussagen Spahns wie die, dass Harzt IV zum Leben ausreiche, hat das Gericht thematisert. Spahn habe sich „mit zahlreichen auch pointierten öffentlichen Aussagen als besonders streitbarer Vertreter einer konservativen Politikrichtung besonders profiliert“. (Zeit, 05.05.2021)
Spahn hat inzwischen die Klage zurückgezogen. Man darf also sagen, dass die Villa 4,125 Millionen Euro gekostet hat. Sie hat 4,125 Millionen Euro gekostet.
Hartz IV
Vielleicht glaubt ja Jens Spahn wirklich, dass man von Hartz IV leben kann. Wahrscheinlich kennt er niemanden, der Hartz IV oder Sozialhilfe bekommt oder von Mindestrente leben muss. Ich gebe Euch mal ein Beispiel dafür, wie das so ist mit Mindestrente. Herbert, ein guter Freund von mir hatte ein Problem mit den Zähnen. Er brauchte eine Brücke und dafür gab es eine Lösung, für die die Krankenkasse nicht die kompletten Kosten übernommen hätte. Tja. Und nun? Woher nehmen und nicht stehlen?
Ich habe Herbert angeboten, das zu übernehmen. Er hat mich gefragt, ob ich ihn beleidigen wolle. Wir haben dann einen Weg gefunden: Ich habe ihm das Geld überwiesen und er hat mir immer 5€ pro Monat zurücküberwiesen. Nach dem Einsetzen der Brücke hat er sich begeistert bei mir bedankt. Er könne jetzt wieder kauen und das Essen wäre ein Genuss, denn er würde wieder etwas schmecken.
Wenn Sie jetzt sagen: „Na, sehen Sie, er hatte doch 5€ übrig.“ Dann sage ich: „Glückwunsch, Arschlochtest bestanden. Bitte verlassen Sie diese Web-Seite sofort. Es gibt hier nichts zu sehen.“ Dieses Geld hat mein Freund normalerweise gespart, damit er seinen Kindern etwas zu Weihnachten und zum Geburtstag schenken konnte. Nichts Großes. Obviously. Mal so einen riesigen LEGO-Baukasten für 100€ zu Ostern ist nicht.
Umweltaspekte
Davon abgesehen, stellt sich in Bezug auf Spahns Villa die Frage, ob man als kinderloses Ehepaar 515 m2 Wohnfläche braucht. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person in Deutschland lag 2018 bei 46,7 m2 und das ist zu hoch. Aus Klimagründen wäre eine Reduktion um 25% anzustreben (A Societal Transformation Scenario for Staying Below 1.5°C). Das wären dann 35m2.1 Selbst im Vergleich zu 46,7 m² sind 257 m² dann doch ’n bisschen krass, ne? Ist mehr als das Fünfeinhalbfache. Die Autor*innen der Studie Shift the focus from the super-poor to the super-rich, die 2019 in Nature Climate Change erschienen ist, haben genau darauf hingewiesen: Die Superreichen erzeugen mit ihrem Lebensstiel einen CO2-Austoß, der über allem liegt, was wir uns vorstellen können. In einem gut isolierten Haus (Passivhausstandard) braucht man minimale Heizenergie, da die Körperabwärme und Wärme, die beim Kochen und Duschen entsteht, ausreicht. Das klappt bei 515m2 und zwei Personen aber nicht im Ansatz.
Transparenz: Der Politikkodex
Marco Bühlow und Martin Sonneborn haben mit plattform.PRO einen Politikkodex ausgearbeitet, der die Einflussnahme von Spender*innen begrenzen soll und generell für mehr Transparenz sorgen soll.
Es ist geplant, dass alle Kandidat*innen die für die Partei Die PARTEI antreten, diesen auch unterschreiben. Ich habe das bereits getan. Wenn Ihr also mit mir für 9.999€ essen gehen wollt, müssen wir das offenlegen. Laut Politikcodex ab 2.000€. Aber es wäre ja für eine gute Sache, da wäre es eh nicht schlimm, wenn Euer Name genannt würde. Ich würde das Geld dann für die Manipulation von Menschen auf Facebook einsetzen (siehe Post Facebook is evil). Wenn Ihr mir ohne Werbung einfach so auf Facebook folgt, wäre das natürlich auch gut.
Im Zusammenhang mit der Transparenzerklärung musste ich leider mein gesamtes Vermögen offenlegen, all meine Firmenbeteiligungen, und es gibt so einige. Lokale, regionale, nationale und globale. Ja, ich habe eine global agierende Firma gegründet, die inzwischen über 1000 Mitarbeitende hat und außer in der Antarktis auf allen Kontinenten vertreten ist. Und ich werde im Bundestag gnadenlos für diese und ähnliche Firmen arbeiten. Nur dass Ihr’s wisst. Aber es ist eben transparent und das ist wichtig. Wenn Ihr wissen wollte, was das für Firmen sind, müsst Ihr die Transparenzerklärung lesen.
Sag’s mit Musik
Und zum Abschied sag ich leise Servus. Heute mit Toxoplama und ihrem Wahlwerbespott für die CDU. Das Video ist von 2013, aber sonderbar aktuell. Viel Spaß!
Quellen
Brautzsch, Jessica. 2021. Oktober 2020: Spahn bei Spendendinner in Leipzig. MDR. (https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/spahn-corona-infektion-spenden-party-leipzig-100.html)
Fuchs, Christian & Kunze, Anne & Malcher, Ingo & Schmidt, Christina & Stark, Holger & Zimmermann, Fritz. 2021. Jens Spahn: Der Minister und die Millionen. Die Zeit. (https://www.zeit.de/2021/19/jens-spahn-immobiliengeschaeft-villa-immobilienkauf-finanzierung-kreditvergabe-oeffentlichkeit/komplettansicht)
Kuhnhenn, Kai & Costa, Luis & Mahnke, Eva & Schneider, Linda & Lange, Steffen. 2020. A Societal Transformation Scenario for Staying Below 1.5°C. Berlin: Heinrich Böll Stiftung. (https://www.boell.de/sites/default/files/2020–12/A%20Societal%20Transformation%20Scenario%20for%20Staying%20Below%201.5C.pdf)
Meisner, Matthias. 2021. Spendendinner des Gesundheitsministers: Spahns Schweigekartell. taz. (https://taz.de/Spendendinner-des-Gesundheitsministers/!5763978/)
Müller-Neuhof, Jost. 2021. Millionenvilla des Ministers: Ein „Blick in das Portemonnaie“ von Jens Spahn ist verboten. tagesspiegel. (https://www.tagesspiegel.de/politik/millionenvilla-des-ministers-ein-blick-in-das-portemonnaie-von-jens-spahn-ist-verboten/26922938.html)
Otto, Ilona M. & Kim, Kyoung Mi & Dubrovsky, Nika & Lucht, Wolfgang. 2019. Shift the focus from the super-poor to the super-rich. Nature Climate Change 2(9). 82–84. (doi:10.1038/s41558-019‑0402‑3)